Geschichte - Schwarzer Kamin e.V.

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Eine große Schwarze Fahne mit Totenkopf – die Klubstandarte vom Schwarzen Kamin – hisste Ollie als Siegeszeichen auf dem Hauptdrilling. Der grinsende Totenschädel mit dem rotbebänderten Grünhut, den sie in Emaille als Klubabzeichen trugen, ließ uns ein Schauern kalt über den Rücken rieseln. Wir konnten verstehen, daß kneipen- und familienvertrottelten Philistern der Großstadt bei einem solchen Anblick das Herz tief in die angstschlotternden Hosenröhren fahren mußte.
Nein! Diese Sätze sind nicht dem Drehbuch zum vierten Teil von Captain Jack Sparrows Piratenspektakel entnommen. Alexander B. Kopprasch beschrieb im Jahrbuch des Sächsischen Bergsteiger-Bundes 1927 eine Wirtshausbegegnung mit den Männern vom „Schwarzen Kamin“.

Um keine andere Vereinigung der sächsischen Erschließungsgeschichte ranken sich so viele Legenden und Geschichten wie um die Recken vom „Schwarzen Kamin“. Andererseits sind über diesen Klub nur bruchstückhafte Informationen überliefert. Begeben wir uns auf Spurensuche.
Dietrich Hasse notierte in „Wiege des Freikletterns“: Wie unverzichtbar für jeden Deutschen, wurde ein paar Tage nach der Bloßstock-Besteigung beschlossen, am 3. Juni 1904 einen Klub zu gründen. Heißen sollte er „Schwarzer Kamin“, mit Rudolf Fehrmann als Präsidenten, konstituiernder Versammlung, eigener Satzung, grimmiger schwarzer Klubfahne mit einem Totenkopf darauf und sogar einer Klubzeitung, „Der Absturz“. Da die Vereinsgründung einschließlich Satzung sowie der programatische „Absturz“ in der Schule ruchbar wurden, zitierte man die Übeltäter unverzüglich vor den Direktor. Wegen Gründung einer verbotenen Organisation drohte der Schulausschluß, das Consilium abeundi. Aber der gestrenge Rektor zeigte am Ende doch ein Einsehen: „O Gott, ja, is doch ganz scheen geschrieben, ganz scheener Stil. Nur wenn machen se denn ihre Schularbeetn?!“ Oft stellen wir uns unsere Altvorderen als rauschebärtige Herren gesetzten Alters vor, deshalb sei hier angemerkt, Rudolf Fehrmann feierte knapp drei Wochen nach Klubgründung seinen 18. Geburtstag.
Schnell gelangte der Klub zu entsprechenden Ruhm. Bereits im Anfang des Jahres 1905 publizierten „Jahrbuch der Sektion Dresden des österreichischen Touristen-Klubs“ schrieb Hugo Kurze: So ist unsere schöne vielbesungene Sächsische Schweiz der Tummelplatz derer von der Kletterzunft geworden, und von Jahr zu Jahr gewinnt dort der Klettersport mehr Anhänger. Die verschiedensten Vereinigungen, ich hebe nur hervor die „Mönchsteiner“ in Pirna, wackere und unermüdliche Draufgänger, die „Falkensteiner“, die „Rohnspitzler“, die Klubs „Schwarzer Kamin“ und „Steinschleuder“, die „Sektion Dresden des D. Und Ö. Alpenvereins“ und die „Sektion Dresden des österreichischen Touristenklubs“, als stärkste Vereinigung der Kletterer, fördern und pflegen den edlen, Körper und Geist stählenden Sport aufs eifrigste. Bei diesem Absatz dürfte es sich um die erste „urkundliche Erwähnung“ vom Schwarzen Kamin handeln, dies bereits ein halbes Jahr nach Klubgründung. Speziell durch Rudolf Fehrmanns Erstbesteigung vom Chinesischen Turm und der Erstbegehung des später nach ihm benannten Fehrmannweges auf den Mönch rückte der Klub in die öffentliche Wahrnehmung.

Am Ende 1910 erschienenen Taschenbuch Bergheil 1911 (K. Georg Kummers Verlag, Leipzig) ist vermerkt:
Klub Schwarzer Kamin.
Ein freier Bund gleichgesinnter Bergsteiger: hat keine Satzungen, keine Beiträge, keine Klubabende, keinen Obmann. Klubangelegenheiten werden erledigt durch den Mitbegründer Rudolf Fehrmann, Dresden-A., Zöllnerplatz 12. Begründet wurde der Klub am 3. Juni 1904, zu dem Zwecke, die bis dahin vernachlässigte Wandkletterei auszubilden. Er hat diese Aufgabe gelöst durch die Ausführung von mehr als 100 neuen Touren. In seinem Auftrag wurde der gegen 200 Felsen behandelnde „Kletterführer durch die Sächsische Schweiz“ ausgearbeitet. Seine Mitglieder – etwa zehn – haben es sich zur besonderen Pflicht gemacht, für die Reinhaltung und Veredlung des Bergsports in der Sächsischen Schweiz einzutreten.

Hier treten erste Widersprüche auf: Steht bei Hasse etwas von eigener Satzung hatte der Klub laut Taschenbuch Bergheil keine Satzungen. Mit Datum vom 12. Oktober 1908 bittet Oliver Perry-Smith Rudolf Fehrmann in einem Brief: Bitte Schreibe dein name unter ein stück papier irgend so was endlich wie du mich in amerika geschickt hast um zu mitteilen dass ich in S.K. war – sende diese papier zu mir und ich werde sehen dass die andere unterschreiben Ihre namen drauf...

Diese Urkunde, welche Perry-Smith die Ehrenmitgliedschaft im „Schwarzen Kamin“ bestätigt, ist von folgenden Personen unterschrieben: Franz Goetze, sen., Albert Kunze, Walter Stein, R. Fehrmann, F. Goetze jun., M. Preusser, A. Klauder, A. Kahre, J. Klitzsch, A. Hoyer. Obwohl das Schreiben auf Mai 1905 rückdatiert wurde, repräsentiert es vermutlich den Mitgliederstand Ende 1908, möglicherweise aber nicht vollzählig.
In einem weiteren Brief vom 22. April 1912 führt Perry-Smith folgende Personen auf: Wir haben augenblicklich kein S.K. Mitglied der nicht ohne Weib lebt. Es ist doch schrecklich fast alle sind verheiratet oder verlobt. Die verheiratete sind Sepp (Franz Goetze), (Bruno) Henning, (Wilhelm) Kröhl, Petrus (Rudolf Fehrmann), Ollie (Oliver Perry-Smith) u. verlobte Stein, Arymund (Fehrmann), Toni (Artur Hoyer), (Hans) Schueller? Heini (Walter Hünig). Was wird die arme Klettersport nun machen ohne unsere hervoragende Bergsteiger.
In der Bergsteigerzunft kursieren Erzählungen, wonach es eine Aufnahmeprüfung für künftige S.K. Mitglieder gegeben haben soll: Der Überfall an der Lokomotive-Esse seilfrei im Auf- und Abstieg! Wahrheit oder Legende? Anhand des ersten Gipfelbuches der Esse, es befindet sich im Archiv des Sächsischen Bergsteigerbundes, und enthält die Eintragungen bis zum 26. September 1915, lässt sich diese Geschichte nicht belegen.
Eines der letzten Lebenszeichen vom Schwarzen Kamin findet sich in den Mitteilungen des SBB vom April 1922: Der Austritt des Klubs aus dem Bergsteigerbund wird bekannt gegeben. Spätestens zum Ende des Ersten Weltkriegs hatte der Klub sein Vereinsziel erfüllt: die schwere Wandkletterei war etabliert, andere Kletterer wie Emanuel Strubich, Erhardt Renger oder Otto Dietrich übernahmen den Staffelstab und repräsentierten inzwischen mit ihren Leistungen die Spitze der sächsischen Kletterer.
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